morton feldmam

MORTON FELDMAN (1926-1987) – “PATTERNS IN A CHROMATIC FIELD” (1981)
KONCERT – SPEKTAKL (premiera polska)
11.05.2017 Lublin, Centrum Spotkania Kultur, Festiwal Kody

 


 

DELIRIUM ENSEMBLE 3.0:
Wiktor Kociuban – wiolonczela
Demetre Gamsachurdia – fortepian
Anna Sztwiertnia – wizualizacje



MORTON FELDMAN - PATTERNS IN A CHROMATIC FIELD

Vorgänge, die den Bewusstseinszustand verändern, waren schon immer ein wichtiges Werkzeug. Werkzeuge für Menschen, die wussten, wie man die Sinne stimuliert, um direkt auf das Bewusstsein zuzugreifen. Heute brauchen wir keine Schamanen und Priester mehr. Musik stellt uns diese Werkzeuge in grosser Vielfalt zu Verfügung.

Beim Hören von sich wiederholenden Mustern von Klängen und Rhythmen können wir in einen Zustand der Trance treten. Natürlich hängt dies davon ab, welche Art von Musik wir hören und ob wir als individuelle Personen uns diesem Übergang öffnen. Diverse Trancezustände fühlen sich sehr natürlich für unser Bewusstsein an. Die meisten von uns merken nicht einmal, wenn sie einen solchen Zustand betreten. Da grundsätzlich viele unterschiedliche Stimuli einen Übergang herbeiführen können, befinden sich die meisten von uns mehrmals täglich in leichten Trancezuständen, ohne es zu merken.

Wenn wir von Trance induzierender Musik sprechen, gibt es keinen Weg, der um Morton Feldman (1926-1987) vorbeiführt. Der US-Amerikaner mit jüdischen Wurzeln hat diese Kunst massgeblich geprägt. Als langjähriger Schüler von John Cage war Feldman ein Leben lang auf der Suche nach einer klaren, reinen, wahren Musik, entledigt von allem Ballast, allem Theater, Gesten oder Ausdruck. Was würde übrig bleiben, wenn irgendwann alles Überflüssige entfernt wäre? Vielleicht nur Klang. Und Zeit.

Die Verbindung von Klang und Zeit zum menschlichen Bewusstsein beschrieb Feldman als „Basic Memory“. In seiner Vorstellung fusste jegliche Form von musikalischem Verstehen auf Erinnerung. Als Beispiel: wenn wir zwei gleiche oder ähnliche Aktionen nacheinander hören (und davon ausgehen, dass wir so etwas noch nie gehört haben), dann wird uns die erste der beiden Aktionen völlig fremd und unzugänglich erscheinen. Doch sobald wir die zweite Aktion gehört haben, werden wir uns an die erste erinnern. Unser Bewusstsein verknüpft die beiden Aktionen und erstellt eine Art „geistige Landkarte“.

Laut Feldman geschieht dies die ganze Zeit. Jedes mal wenn wir hören erschaffen wir Verbindungen durch Erinnerung, wir kreieren einen Orientierungssinn, der uns erlaubt durch die akustischen Stimuli zu „navigieren“. Nichts anderes geschieht, wenn wir die Musik von Morton Feldman hören: verschiedene Klanggebilde, hochkomplex, immer lebendig, sich selbst stets wiederholend und in der selben Zeit doch sich stets leicht verändernd. Wie die Blätter eines Baumes: von Weitem sehen die Blätter gleich aus, doch von Nahem offenbart sich die Einzigartigkeit eines jeden Blattes.

Die Musik von Morton Feldman spielt sich fast immer in einem Bereich extremer Dynamik ab. Die Angaben sehr leise, noch leiser, so leise wie möglich und dann noch leiser verlangen eine spezielle Art von Fokus, der Spieler wie Zuhörer in einen ungebrochenen, zeitlosen Fluss bringt. Dies kann ein sehr starkes Erleben der Stille auslösen. Es ist eine Reise durch Erinnerung und Zeit, eine Reise, die uns einladet, das Wesen des Klanges und der Wiederholung mikroskopisch nahe zu beobachten und zu erleben.

Die „Patterns In A Chromatic Field“ (entstanden 1981) ist ziemlich bezeichnend für den Kompositionsstil von Feldman. Über die Dauer von ungefähr eineinhalb Stunden (für all die, die noch an die Einteilung der Zeit über die Uhr glauben!) erschaffen Violoncello und Klavier ununterbrochen ein Netz aus sich wiederholenden und wiederkehrenden Klangzellen, stets unmerklich von einer Klangwelt in einen nächsten Zeitraum gleitend. „Patterns In A Chromatic Field“ hat keinen Anfang und kein Ende. Vielleicht war diese Musik immer schon da; vielleicht ist ihr akustischer Anfang Diese Musik kann nicht erschaffen werden. Sie sollte geschehen. In unserem „westlichen“, „zivilisierten“ Teil der Welt ist diese Idee nicht einfach zu verstehen. Von Kindesbeinen an wird uns beigebracht, dass wir Dinge tun müssen. Die Vorstellung, Dinge einfach sein zu lassen wie sie sind, sie einfach in natürlicher Weise geschehen zu lassen, fällt den meisten von uns schwer. Doch genau so funktioniert die Musik von Morton Feldman: sie will nichts von uns, sie tut nichts, sie ist einfach so wie sie ist.

Es ist mittlerweile kein Mysterium, dass die Position des Körpers einen grossen Einfluss auf das Erlebnis hat; ihre Rolle beim Musikhören wurde früher unterschätzt. Wenn wir uns hinlegen, anstatt uns zu setzen, kann unser Körper viel schneller und tiefer entspannen. Unser Bewusstsein wird offener und empfänglicher für äussere Impulse. Diese Art des Hörens kann auch das herbeiführen, was wir „In den Klang hineinfallen“ genannt haben.nur unser eigenes Einklinken und ihr akustisches Ende lediglich unser Ausklinken.

Es ist eine Art des Hörens, in der die zuhörende Person weniger beurteilt oder analysiert. Vielmehr geht es um Beobachten und Erleben. Eigentlich sind wir in diesem Sinne eher eine musikalische Installation. Die Musik von Morton Feldman wird nicht gemacht, sie „ist“ einfach.

 

WiktorKociuban & Demetre Gamsachurdia Delirium-Ensemble


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