Ohne Luft keinen Schall, aber ohne Luft auch keinen Atem, also kein Leben.

Mit Tönen kann eine Phrase im übertragenen Sinn den Atem, also das Lebendige ausdrücken, Töne können durch Luft eine besondere Farbe erhalten – aber Luft und Atem können auch ganz direkt Bestandteil von Musik sein.

Mit dem Arciorgano als Soloinstrument, dem das Delirium Ensemble zur Seite steht, kann Luft auf verschiedene Weise Ausgangspunkt eines musikalischen Gedankens sein.



Projekt

Als Orgel sind dort schon die Töne kanalisierte Luft. Als Nachbau eines historischen Instrumentes aus dem 16. Jahrhundert kommen aber noch zwei bedeutende Eigenschaften dazu: Das Arciorgano ist in einer Stimmung von 36 Tönen pro Oktave in ungleichmässigen Abständen gestimmt, es gibt also eine enorme Vielfalt von sehr kleinen Intervallen und damit auch von Clusterstukturen, die sich wie Wind modulieren lassen. Ausserdem wird ein zu- sätzlicher Spieler benötigt, der manuell die Blasebälge zur Windzufuhr betätigt. Wir können also in unserem Projekt eine eigene, besonders ausgestaltete Luftstimme mitkomponieren. Ein Erzittern des Klangs durch plötzlichen Wind- Überdruck ist dabei ebenso möglich wie ein Ersterben durch ein Anhalten der Bälge. All das Überträgt sich direkt in den Ausdruck der Orgeltöne.

Das Arciorgano, wurde in den vergangenen zwei Jahren im Rahmen des Forschungsprojekt Studio 31 der Hochschule für Musik Basel in Kooperation mit der Schola Cantorum Basiliensis unter der Leitung von Martin Kirnbauer, Johannes Keller und Caspar Johannes Walter, entwickelt und gebaut. Das Design der enharmonischen Orgel mit 36 Tasten pro Oktave beruht auf Quellen und Instrumentenbau-Traditionen des 16. und 17. Jahrhunderts. Der wichtigste Autor im Bereich der enharmonischen Musik und des entsprechenden Instrumentariums ist Nicola Vicentino (1511-1576), der zahlreiche Generationen von Komponist*innen, Theoretiker*innen und Instrumentenbauer*innen beeinflusst hat. Das Arciorgano ist eine hypothetische Rekonstruktion, die sich an seinen Instrumenten orientiert. Ein zentraler Aspekt des Forschungsprojekts war die Anwendung im Bereich der zeitgenös- sischen Musik. Die enharmonischen Klaviaturen sind einerseits bequem zu spielen, da sie auf dem Layout einer ko- nventionellen Klaviatur aufbauen, andererseits stellen sie aber auch unzählige neue Intervalle innerhalb der gewohn- ten Hand-Spanne zur Verfügung. Wie kann man kompositorisch damit umgehen? Wie weit wird das kompositorische Denken von konkreten Greif- und Denkweisen beeinflusst? Um die Verbindung zu einem Aufführungskontext der Neuen Musik leichter zu gestalten, wurden beide Instrumente mit Sensoren und Selbstspiel-Einheit ausgestattet, was die musikalischen Möglichkeiten nochmals vergrössert.

Uraufführung

5.10.2018 Musik-Akademie der Stadt Basel (Schweiz)
Delirium Ensemble, Wiktor Kociuban – Dirigent, Künstlerische Leitung

photo